Der Flurschütz kommt!“, 8 x 18 cm. Auf der Rückseite mit Bleistift vorgezeichnet mit Titel  versehen und signiert: „H.Nolden“ (mit weißer Tusche)
 
                                    DIE THEMEN
Die Themen der Scherenschnitte von Heinrich Nolden finden sich auch bei vielen anderen Meistern der Schere: Krippen, Kreuzigungen, Grabandachten, Vogelpredigt, Totentanz, Jagdszenen, Bogenschützen, Drachenkampf, Märchen, Genreszenen, Tiere, Fahrendes Volk, Kiepenmann, Figurimann, Tanzbären, kleine Banditen, Militärszenen, Napoleon, Musiker, Blumen, Landleben mit Kutschen usw.
Er muss das Buch von Martin Knapp „Deutsche Schatten-und Scherenbilder aus drei Jahrhunderten“ (1916 Dachau) gekannt haben, denn es gibt einiges was er daraus kopiert oder verändert übernommen hatte.
 
                                                                                     
Der „Figuri-Mann“ ein ambulanter Verkäufer von Gipsfiguren war ein beliebtes Motiv
                  
  DIE VORBILDER VON NOLDEN, sen.
Mit den Scherenschnitten des aus Düsseldorf stammenden Wilhelm Müller (1804-1865) kann man stilistische Übereinstimmungen feststellen: z.B. die weiß geschnittenen Strümpfe, Ärmel und Gesichter.  Des Öfteren gibt es die selben Motive bei beiden: z.B. Vogel mit Käfer oder Blüte mit Falter. Auch bei Karl Fröhlich (1821-1898) findet sich Ähnliches, z.B. den Figuri-Mann. Beide hätten seine Großväter sein können und künstlerisch waren sie es wohl auch.
Das Leben in den Altstadtkneipen muss für den jungen Kölner anziehender gewesen sein als die schweißtreibende Arbeit an den Marktständen seiner Eltern. In den Kneipen gab es einen Schnaps oder ein Teller Suppe als Honorar für einen Scherenschnitt. So soll auch Wilhelm Müller gelebt haben. Dann gab es mal einen Auftrag für eine Dekoration oder es wurden ein paar Portraits auf die Schnelle geschnitten, wie Großvater „Bouschoh Nolden“ es schon tat.  Im Hinterzimmer führte Nolden seine Puppenspiele auf mit eigenen Figuren und Kulissen, wie mein Vater erzählte. Jede Menge kleiner Geschäfte tätigte der umtriebige Heinrich und immer begleitete er  alles mit einer passenden Anekdote.
 
                                    Der Puppenspieler
Bei den Märchendarstellungen sind häufig die Gesichter und Kleidungsteile weiß heraus geschnitten. Dadurch wird die Komposition spannungsreich. Sie sind meistens aus einem Stück Papier und auf der Rückseite vorgezeichnet.
                           Drachenkampf , 12 x 25 cm
    
               Außergewöhnliche Reise, 10 x 20 cm
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
          
                 Heinrich (Harry) Nolden in den 1930er Jahren
                    
                    Der fliegende Holländer, 25 x 20 cm
                                                        
 
 
Der Nachlass von Heinrich Nolden senior
 
Maria Nolden, 1893 - 1968    
Einen großen Teil der Scheren- schnitte ihres verstorbenen Mannes trug meine Großmutter Maria Nolden im Luftschutzkeller in Köln in einem Koffer immer bei sich. Nachdem ihr Haus 1942 von Bomben zerstört wurde, versuchte sie vom Verkauf der geretteten Stücke zu leben. Aber sie schickte auch  ihrem Sohn Harry (meinem Vater), sortierte Päckchen zum Verkauf. Nach dem Krieg zog sie  zu uns nach Hamburg-Harburg und erzählte immer wieder von den schönen Zeiten in Paris. Sie sortierte die kleinen Werke nach Themen und Größen, was eine große Hilfe war, als sie 1968 zum ersten Mal ausgestellt wurden.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Maria, Ilse und Harry Nolden mit den Kindern Reinhard und Brigitte, 1950  Meyerstraße 64, Hamburg-Harburg
Als unser Vater Harry Nolden 1998 starb, kümmert sich auch mein Bruder Reinhard Nolden um den Nachlass und hat begonnen ein digitales Archiv anzulegen.  
Heute verfügen wir etwa über 2000 Scherenschnitten von Heinrich Nolden sen. Sie müssen zwischen 1890 und 1941 entstanden sein. Die meisten sind nicht aufgeklebt, nicht signiert und nicht datiert. Durch den Vergleich mit den signierten Stücken, den verwendeten Papieren und dem Stil, gehen wir davon aus, dass die meisten von seiner Hand stammen und überwiegend  1920-1941 geschnitten wurden
 
               DER STIL
Was macht das Besondere der Scherenschnitte von Nolden sen. aus? Die große Anzahl der Schnitte im Biedermeierstil, stehen ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts.
Die viereckigen Schnitte sind aus einem Stück Papier sehr kunstvoll herausgeschnitten und wohl von chinesischen Arbeiten inspiriert. Sie wirken wie Fixierbilder und manche haben die Größe einer Briefmarke.
 
                Die Denunziantin  
Ungewöhnlich sind die zeitkritische Auseinandersetzung mit dem Krieg und den Modernen Zeiten. Der Kontrast zwischen Schwarz und Weiß wirkt  beinah wie beim Holzschnitt.  
Die von geilen alten Männern belauschten, badenden jungen Frauen gibt es in vielen Varianten und natürlich ist die Liebe thematisiert in all ihren Höhen und Tiefen.
  
                      Voyeure
Auf den aneinander geklebten Stücken tummeln sich Mensch und Tier in der Landschaft bei den unterschiedlichsten Verrichtungen. In dieser Gleich- zeitigkeit steckt für mich die eigentliche Botschaft meines Großvaters.
Mein Vater nannte ihn einen “Kölschen Grienlächer“, ein Mensch schwer zu fassen, zwischen bissiger Schadenfreude und milder Lebensphilosophie.
      Der Scherenschneider wehrt sich
 
Wenn der Hund nicht geschissen hätte, hätte der Jäger den Hasen geschossen