DIE SILHOUETTENSCHNEIDER
 
               Eiffelturm mit Weltausstellungsgelände Paris 1900
 
 
Von Brigitte Nolden
Meinen Großvater HEINRICH NOLDEN habe ich nie kennen gelernt. Er starb 1941 drei Jahre bevor ich geboren wurde. Alles was ich über ihn weiß, erzählten mir mein Vater Harry Nolden und meine Großmutter Maria. Einiges erfuhr ich aus Artikeln, die zwischen 1938 und 1941 in Berliner und Kölner Zeitungen erschienen waren und in denen er den Reportern sein bewegtes Leben schilderte. Wir besitzen Dokumente, Fotos und etwa 2000 Scherenschnitte von seiner Hand. Das ziehe ich heran bei dem Versuch ein Bild seines Lebens zu entwerfen.
Heinrich Nolden wurde 1876 als erster Sohn des Schriftsetzer und Druckers Arnold Nolden (1838-1908) in Köln geboren. Seine Mutter Angela Penna betrieb einen ambulanten Handel mit Aachener Tuchen, wovon die wachsende Familie in der Spulmannsgasse 78 in der Kölner Altstadt gut leben konnten. Vater Arnold soll in seinen Mußestunden gern zur Schere gegriffen und fein ziselierte Schattenbilder geschaffen haben. Die markanten Profile der Wirtshausgäste soll auch schon der Großvater Joseph Nolden (1807-1892 Köln) in den Spelunken der Kölner Altstadt geschnitten haben. Er war zu seiner Zeit ein bekanntes Kölner Original und sein Spitzname war „Bouschoh Nolden“, denn er pflegte mit dem Schwenken des Künstlerhutes und mit sonorer Stimme die Gäste mit „Bongschur, meine Damen und Herren“, auf Kölsch zu begrüßen.
Dem Wusch des Vaters folgend, machte der künstlerisch begabte Heinrich eine Lehre zum Holzbildhauer. Aber schon als Kind hat er ebenso gern wie seine Vorväter mit der Schere Figuren aus schwarzem Papier geschnitten. Als sein Meister vor Beendigung der Lehrzeit starb, begab sich der junge Nolden auf  Wanderschaft. Für seinen Lebensunterhalt schnitt er unterwegs Silhouetten.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
         Selbstportrait                                 Scherenschnitt von Heinrich Nolden, 8,5 x 14,5 cm
Den jungen Heinrich Nolden zog es in die Ferne und noch vor der Jahrhundertwende kam er nach Paris. Auf einer Fensterbank am Boulevard Haussmann schnitt er so erfolgreich die Silhouetten-Profile der Passanten,  dass er zur Weltausstellung 1900 die großartige Gelegenheit bekam einen Pavillion auf der II. Etage des Eiffelturms einzurichten.
Im April 1899 hat er Katharina Hilger  in Köln geheiratet und im Januar 1900 wurde Tochter Angela geboren. Vermutlich arbeitete Heinrich Nolden bis zum ersten Weltkrieg sporadisch von Mitte April bis Mitte September mit Hilfe seiner Frau Katharina auf der zweiten Plattform des Eiffelturms und verkaufte dort auch seine Kunstsilhouetten im Stil des Biedermeier. In den anderen Zeiten hat er in Wirtshäusern, auf Messen, Ausstellungen und Jahrmärkten Profil-Silhouetten geschnitten.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Heinrich (Harry) Nolden bei der Arbeit. Im Stand sitzt vermutlich Katharina, seine erste Frau. Das Foto muss zwischen 1900 und 1915 entstanden sein.                                            (Besitz: H. Görtz, Köln)
In den wenigen erhaltenen Zeitungsartikeln erfahren wir weiter; es haben ihm sogar Könige Modell gestanden haben: der englische König Edward VII., der König von Siam Chulalongkorn, die Königin der Niederlande, der Schah von Persien, der schwedische König und, und, und. Immer wieder spricht er er von Jules Verne als seinen Freund, der seine Erlebnisse niederschrieb und in einem Buch verarbeiten wollte. Legenden? In Wirklichkeit wissen wir wenig über ihn.
Durch die Ausstellung 2006/07 DIE SCHERENSCHNEIDER NOLDEN ZWISCHEN EIFFELTURM UND JAHRMARKT im Helms-Museum in Hamburg und durch die Internet-Präsenz haben wir neue Erkenntnisse über das Wirken von Heinrich Nolden gewonnen.  
1905 hat er auf der Exposition Universelle de Liège in Belgien gearbeitet. Die Sammlerin Ellen Maas besitzt  neben der dort entstandenen Dame mit dem Dreimaster (Abbildung), auch mehrere auf dem Eiffelturm entstandene Silhouettenportraits.
1907 hielt sich der König von Siam Chulalongkorn einige Zeit für Kuranwendungen in Baden-Baden auf und berichtete seiner Lieblingstochter von einem Silhouettenschneider, den er mehrmals aufsuchte, und der sehr schnell arbeiten würde. Immer wieder schilderte mein Großvater die Begegnung mit dem König Journalisten.
Ein 1908 in Nancy abgeschicktes Damenbildnis ist signiert mit Clausen et Nolden, Silhouettists de Copenhague (Danemark).
Wenn ich Harry Nolden bei Google eingebe (mein Großvater nannte sich häufig auch mit Vornamen Harry) erfahre ich, dass er 1910 gemeinsam mit zwei anderen Silhouettisten; Baron Henri Scotford (USA) und wieder mit Chr. Clausen de Esbjerg (Dänemark) in Brüssel auf der Exposition Universelle (Bruxelles-Kermesse) gearbeitet hat und sich „Harry“ nannte.
1915 im Vergnügungs-Palast Groß-Cöln steht unter der Silhouette: „Nach der Natur in 1 Minute“.  
1919 heißt es unter einem Herrenbildnis:
Harry und Angéla Nolden. So erfuhren wir, dass mein Großvater mit seiner Tochter und auch mit anderen Silhouettenschneidern zusammengearbeitet hat.                                                
                                                                  
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